Montagsbratzen

All diese verkniffenen Bratzen* um mich herum bei diesem Sonnenschein. Montagsbratzen. Die inneren Jalousien fest geschlossen. Ein Sonnenstrahl könnte die Spinnenweben über ihren verknöcherten Hoffnungen zerreißen. – Früher wollte ich auch, damals konnte man, ich durfte ja nicht, das machte man nicht – Ein Leben mit unterdrückten Hoffnungen, mit unerfüllten Wünschen. Eingesponnen und betäubt von dem haarigen Spinnending, welches sich Alltag nennt. Du hast dich nicht genug angestrengt, lautet einhellig

Flupp

„Der Personalausweis ist ja nur noch die kleine Karte.“ Sie zeigt ein kleines Musterexemplar. „Da ist der Fingerabdruck optional. Beim Reisepass ist er Pflicht. Das kommt aus den USA.“ Das sagt die Beamtin so nebenbei. Als wäre ihr oberster Boss Barak Obama und nicht die Merkelmaschine. Sie antwortet damit auf meine Frage nach dem Fingerabdruckkästchen. Die andere Sache, weswegen ich eigentlich da bin, läuft zu meinem Erstaunen völlig reibungsfrei. Letzten

Die Jahre der Extreme

Der Laden von gegenüber steht leer. Mal wieder. Zwei höchst luftig gekleidete weibliche Teenies und ihr korrekt angezogener, männlicher Begleiter im gleichen Alter schlendern kichernd, sich eine Pizza teilend, unter mir vorbei und erschrecken, als sie bemerken, dass ich im Fenster sitze und von oben auf ihren Belag schaue. Dann tuscheln sie, kichern wieder und schlendern weiter. Woanders in diesem Land tobt die braune Brut ihre gefährliche Entscheidung zum Rassismus

Quantenphilosophisches Intermezzo

„Die sprühen was.“ Die italienische Labertasche aus der Nachbarschaft pirscht sich heran und versucht die Eröffnung eines Gespräches. „Wer sprüht was wohin?“ „Hast Du nicht die vielen Flugzeuge heute gesehen? Den Doppeldecker? Und wie tief die alle geflogen sind. Irgendwo hab ich gelesen, dass die was versprühen.“ „Und was? Nanobots, Silbernitrat, vielleicht sogar Kerosin?“ „Weiß ich nicht mehr. Aber neulich ist eine Journalistin, die eine wichtige Veröffentlichung darüber machen wollte,

Kolpingstraßensommerabend

Der Asphalt ist sonnengereift und gar. Der Fußweg flirrt, wie mit heißem, stinkig schwarzen Käse überbacken. Fahrrad, Roller – Rollstuhlfahrer, RollatorenschlurferInnen und KinderwagenschieberInnen versuchen, den fast flüssigen Bodenbelag irgendwie zu umschiffen. Aber bei diesen Temperaturen ist jede zusätzliche Bewegung eine Herausforderung, der sich nicht alle stellen. So ist häufig ein „Scheiße“, oder ähnliches Fluchen zu hören. Aber selbst diese Lautäußerungen klingen matt, erschöpft. Es ist zu heiß für einen kräftigen Fluch.

In eigener Sache

Die Sprache verroht. Wir befinden uns im Zeitalter der Beschimpfungen, Beleidigungen, Verunglimpfungen. Alles streng öffentlich. Jedem Dierchen sein Pläsierchen, könnte man sagen, aber wenn sich das Dierchen zu einer Herde potenziert, rast eine Stampede wild gewordener Hools durch das Land. Es ist nicht das Bild des Zigarre rauchenden, Lebenskraft saugenden Kapitalisten, das mir Angst macht. Es ist der Wohlstandsbürger mit Kranken- und Sozialversicherung, der Anders nur akzeptiert, wenn er sich

Kinderflohmarkt

Ihr 72jähriger Zeigefinger fährt aus wie eine elektrische Antenne und richtet sich direkt auf mich. „Wegen Ihnen wär ich fast gestorben. Damals.“ „Wie bitte?“ „Damals. Da haben Sie diese Schiffbrüchigen gespielt. Ich hab so lachen müssen. Auch noch, als ich zu Hause war. Und Sie waren nackt. Hat mir aber nichts ausgemacht. Bei den anderen Zuschauern – weiß ich nicht. Vielleicht hab ich auch ein bißchen über die gelacht. Aber

Abhängig

Was für ein Wochenbeginn. Noch im Schlummer, kurz vor dem Wachwerden, ruft der Brite an, zieht mich aus der flüchtigen Welt bunten Nachtgespinstes in die Festwelt der stabilen Häuser, Katzen, Mikrowellen – ich stoß mir aua mein Knie auf der Suche nach Kaffee, finde den Rest von gestern, stelle die volle Tasse in die Mikrowelle, schütte eine Minute später Milch ins heiße Getränk und eine Minute dreißig später alles in