Was für seltsame Figuren das Leben doch gebiert.
Schon beim Betreten des äußeren Randes der Stadtmitte rennt vor dem narren ein glatzköpfiger Mann her.
Auffällig ist nicht die Glatze, sondern sein bodenlanger, auf Antikleder getrimmter Mantel, der so gerade eben die Bierplautze, die weit nach vorne absteht, bedeckt. Ausserdem ist sein Gang unnatürlich schwankend, da er Schuhe mit einer Bananensohle trägt.
Diese kennt der narr aus der Werbung, aber er glaubt nicht dem Versprechen der Hersteller, bei regem Gebrauch Pfunde zu verlieren. Zwar ist der narr davon überzeugt, dass bei häufiger Nutzung von Schuhen ganz allgemein, also lange Spaziergänge, viel Fußmarsch, wenig Auto, die überflüssigen Pfunde generell verschwinden, aber den Nutzen dieser Bananensohlen kann der narr nicht erkennen, außer, daß es dem Hersteller Geld einbringt und die Träger lächerlich aussehen.
Der dickbäuchige Lederdjango kommt nicht aus dieser Gegend. Er liest den Kölner Express, sitzt in Filiale 43 im Ledersessel wartet, dass er bedient wird, sucht den Blickkontakt zu den Verkäuferinnen, winkt mit erhobenem Arm und ruft am Ende seiner Geduld genervt:
„Hallo Bedienung!“
Die junge Verkäuferin mit dem Schlafzimmerblick und stets feucht wirkenden, sinnlichen Lippen ruft frech zurück:
„Hallo Selbstbedienung!“
Auf dem Heimweg wird der narr von Stavros abgefangen.
“Musst kommen. Ganze Lamm in Hinterhof.”
Sprichts, nimmt den narren am Arm und zieht ihn hinter ein Haus, dessen dunkler Garten direkt an einer stark befahrenen Umgehungstrasse liegt.
Neben dem Hinterfhofgarten, nur durch einen Drahtzaun getrennt, ist der Parkplatz des Frittenpuffs, auf dem Abends Plasmabildschirme, Notebooks und teure Markenkameras preiswert und ohne Garantieanspruch angeboten werden.
Auf dem Hinterhof selbst, nah der Schallisolierungswand, dessen gedämpftes Geräusch des fließenden Verkehrs fast wie Wellenrauschen klingt, flackert ein großes Lagerfeuer mit Steinumrandung, brennenden Holzscheiten und einer Grillspießdrehvorrichtung, die aus der Bronzezeit stammen könnte.
Unter der riesigen Blutbuche, um einen derben Holztisch sitzen der Legionär, die neue Pastorin, der Hausbesitzer und eine, dem narren unbekannte, weibliche, ungepflegte Person, die ihre Zigarette in kaltem Lammfett ausdrückt.
Der Tisch läßt den narren an Peter Greenaway denken. Koch, Dieb, Liebhaber und so.
Der Vierpersonentisch quillt über von Lebensmitteln. Salate in Schüsseln, Früchte in Schalen, flache, breite, abgenagte Knochen, Fettreste, Kartoffeln, Möhren, Porree, Bier- und Weinflaschen.
Die Pastorin zutscht an einem Markknochen, grüßt den narren nickend mit einem saugenden, quietschenden Geräusch.
Der Legionär sitzt zusammengesunken, umringt von einer Batterie Bier und Metaxa, rauchend und blinzelnd auf einem Gartenstuhl, hinter ihm ein Beistelltisch, auf dem die Reste des Lammes, mit feuchten Tüchern und Alufolie abgedeckt, liegen.
Es erinnert stark an urbane Endzeitstimmung, und halb erwartet der narr Snake Plisgen aus dem Dunkeln auftauchen.
Ein unwirkliches Szenario, dass nicht wirklicher wird, als die Pastorin den narren nach dem Exhalbbruder des narren, fragt.
“Der kennt den, der kann dir bestimmt die Telefonnummer besorgen,” lallt der Legionär die Pastorin an.
“Tut mir leid, aber selbst, wenn ich sie hätte. Private Telefonnummern von Anderen gebe ich grundsätzlich nicht heraus. Nicht für den Papst und für keine Pastorin. ” spricht der narr und fühlt sich unwohl in der Gegenwart der Pastorin.
Ihre Stimme klingt hart und sie strahlt Aggressivität aus. Scharfkantig wie zerbrochenes Glas. Unangenehm.
“Muß gehen zapfen,” verabschiedet sich Stavros.
“Iss Lamm.”
Aber dem narr ist der Appetit vergangen. Kaltes Lammfett mit Zigarettenstummeln, der Legionär und die glaskalte Pastorin sind genug Inspiration für einen frühen Abend.
narr

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