„Das hätte ich nicht von dir gedacht. Wie konntest du mich so enttäuschen. Du kannst doch nicht so deine Chefin hintergehen.“
Morgens um sechs Uhr dreißig schüttelt eine Niedriglohnverkäuferin bei Kamps enttäuscht ihren Kopf. Sie schaut den Fahrer mit einer schmerzenden Verliebtheit an, eine Verliebtheit, die schon verletzt ist und noch mehr eintstecken wird müssen. Und ihr Blick sagt: ich weiß das. Aber was soll ich denn tun.
Der Fahrer ist charmant, freundlich und sehr höflich. Gekleidet in einen Overall aus grau-rotem Goretex umschmeichelt er die Verkäuferin, während sein Kumpel mit einem coffee to go in der Hand vor der Brötchentheke auf und abläuft. Der Kumpel wirkt nervös, so, als hätte er den nächsten Termin, den, bei dem so viele Waren von der Ladefläche fallen, gerne hinter sich. Er drängt den roten GoretexCharmeur auffällig zur Vorsicht. Auffällig heißt, mit Augen, die hin und herwandern, immer zwischen dem narren und dem Charmeur, und beim narren werden sie immer verdreht und wieder zurück mit der Botschaft: mann, nicht so laut. Wir sind nicht alleine. Der da hört doch mit.
Das Alles schon um sechs Uhr dreißig
Juppie geht vorbei und grüß auf seinem Weg in die Berufsschule. Er ist Lehrer da seit dreißig Jahren. Nicht Fleisch eins, zwei und drei, aber nah dran.
„Weißt du, narr. Das sind manchmal so leere Augen in die ich blicken und sprechen muß. Mit der Aufmerksamsspanne einer Mücke schauen sie mich an, der Pupillenhintergrund matt mit einer Patina, die einen glauben läßt, da habe mal ein Spiegel gehangen. Früher mal. Nur ganz leiche Farbabweichungen. Das sind Aufmerksamkeitsdefizite. Die sind wirklich schlimm. Nicht so, wie dieser Mangel wegen zu viel Energie, bei der man sich nicht lange auf eine Sache konzentrieren kann, weil eine andere Sache mindestens genauso spannend sein könnte.
Da gibt es keine Spannung. Selbst das Wissen um Spannung ist verloren.
So leer.“
 
narr

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