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One night in Bangkok, spielt es in meinem Kopf.
Dabei sind es zwei Nächte. Nicht in Bangkok, sondern in Lendringsen.
Nachtwache auf dem Lendringsner Frühling. Als wenn es nicht genug Absurditäten in meinem Leben geben würde.
Die Cover-band spielt Nirvana. Ich bin überzeugt, Kurt Cobain würde selbst jetzt, im skelettierten Zustand, besser singen.
Die Bunken feiern Uftata. Es ist das Highlight des Jahres, neben Schützenfest und Beerdigung.
Die jugendlichen Vorortschönheiten haben sich in verschiedene Kleinrudel zu fünft oder sechst aufgeteilt und machen selfies.
Die jungen Vorortmachos parken ihre fünfzig-Kubik-Kleinkrafträder und wedeln unauffällig mit Nierengurt und Helm.
Dann ab zum Bierstand. Cola zischen. Oder direkt zur Cover-Band, um vor der Bühne so cool wie es geht Rockstar zu schlürfen.
Die spielen gerade „knocking on heavens door“, und ich stell mir vor, sie wären wirklich dort.
Da der Toilettenwagen schon um 18.30 Uhr abgeschlossen wurde als Vorbeugung gegen Vandalismus, liegt mein Hauptanliegen bei den Wildpinklern, die für eine Stange Wasser weniger auch gerne mal den frischen, halben Kubikmeter Rindenmulch verunreinigen wollen.
Langsam dringt die Kälte durch das Bodenblech.
Es ist uncool, den Wagen mit Standgas aufzuheizen.
Außerdem halte ich mich ungerne in stehenden Fahrzeugen mit laufendem Motor auf. Ein Zug muss rollen, ein Auto fahren.
In einem stehenden Zug spürt man die Unzufriedenheit der anderen Fahrgäste. Im stehenden Auto ist es der eigene Frust, weil es nicht vorwärts geht.
Um 23.00 Uhr hört die Band das Spielen auf. Um 23.30 Uhr fängt sie noch einmal an.
Skandal im Sperrbezirk, Sauerland, der Sänger singt immer noch einen Halbton tiefer als verlangt.
Um 24.00 Uhr ist endlich Schluss mit Muke.
Ein paar Verwegene wagen es, die rot-weissen Absperrpömpel als Kopfbedeckung zu nutzen.
Aber als sie mein Securitygesicht sehen, stellen sie alles brav an ihren Platz zurück.
Das letzte Mal, dass ich in diesem Vorort eine Nacht verbracht habe, war 1978, vor dem Auszug aus meiner ersten Wohnung.
Um zwei Uhr drei schleicht Katz vorbei.
Ab drei Uhr steigt die Kälte ins Rückenmark. Bis jetzt hab ich es vermieden, in den Schlafsack zu kriechen. Erstens ergibt das zusammengerollte Paket eine gute Nackenrolle, zweitens ist eine kleine, grüne Ikeadecke aus dem Auto um meine Beine gewickelt, und drittens hätte ich bei einem Einsatz schon verloren, bevor ich mich aus dem Sack gepellt hätte. (hab ich grad wirklich „Einsatz“geschrieben? Security läßt das Gehirn verrohen.)
Aber die Vandalen schlafen, es ist streckenweise totenstill.
Dafür ist die Temperatur bis auf ein Grad plus gefallen. Schuhe aus, rein in den Sack und warten, bis der Tag anbricht. Um halb sechs fängt es an zu dämmern, ab sechs Uhr ist es hell. Ich versuche nur, meine Augen zu bewegen. Sobald ich die Stellung meines restlichen Körpers verändere, laufen mehrere Schauer der Kälte meinen Rücken herunter.
Um sieben Uhr kommen Flöry und Björn.
Die Beiden ab ins Beet, ich ab ins Bett.
Noch eine Nacht, dann ist es vollbracht.

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