Wie lange kann man eh schon unangenehm wirkende Menschen am frühen Mogen auch noch fischglotzend ertragen?
“Den Kaffee aus der Maschine oder aus der Kanne?”
Sie steht wie ein dickes Ausrufezeichen mit roten Schuhen hinter einer Theke, strahlt Aggression, Wut aus vermeintlichem Minderwert und Unsicherheit aus. Ihre spitzen Lippen erinnern an überzeichnete Comicschweinelippchen, im Farbton liegen sie etwa drei Nuancen neben dem Rot der Plastikschuhe.
Ihr Mund bewegt sich ununterbrochenununterbrochenununterbrochen in ihrer Verkaufsroutine, meist leiernd und knarzend wie eine rostige Umlenkrolle, hebt sie allerdings manchmal bei Reizworten wie “Remoulade” oder “Camenbert” die Stimme und ihr Tonfall wird schärfer.
Manchmal hat der narr Visionen, in denen er Menschen bestraft. Natürlich nur böse Menschen, Menschen die ihm doof kommen, solche, die andere verletzen oder demütigen.
Da surft der narr genüßlich durch Gewaltphantasien, quetscht Kehlköpfe, legt hinterlistige Fallen, entsorgt Leichen in abgelegenen Schluchten.
Häufig werden die Phantasien gewürzt mit Überraschungen, angekündigten und nicht ernst genommenen Konsequenzen. Nach der Ankündigung stapelt dann der narr gepflückte Augen, Arme, Beine oder innere Organe der Kontrahenten vor ihnen auf.
Der Hängeblumenversorgungstrecker tuckert durch die Fußgängerzone. Pflanzen und Pflaster werden gewässert. Die Rentner der Stadt stehen daneben, starren nach oben und kommentieren kopfschüttelnd die Arbeit der Gärtnerin.
Der ewige Kreislauf der ewigen Rentner in ewigem Beige.
Die heiße Dunstglocke über der Stadt macht aus dem harten Kruppstahl und zähem Leder labberiges Gelee.
Eine Billigfrisöse schwankt aus dem Geschäft, versucht, betäubt von Haarspray und Färbemittel, sich eine Zigarette anzustecken. Kaum gelingt es ihr, verdreht sie nach dem ersten Inhalieren ihre Augen, prallt gegen die rückwärtige Wand und rutscht langsam in eine hockende Stellung. Viel Einsatz für einen Stundenlohn von unter drei Euro.
Ein Hauptschulnarr kommt vorbei. Da fällt dem narren siedendheiß (und das bei dem Wetter) ein, dass er ja noch eine Kritik für die Aufführung schreiben wollte.
Denn so anstrengend, undiszipliniert und schlechtgelaunt die SchülerInnen insgesamt waren, so gut war der Auftritt von 24/13.
Adrenalin macht aus Individualisten eine Gruppe. Bravo, Mädels und Jungs. Das habt ihr prima gemacht. Lob von allen Seiten.
Ein Fußgänger kommt am Cafe vorbei und starrt der Bedienung so schamlos ungeniert in den Ausschnitt, während die sich vornüber beugt, um einen Tisch abzuräumen, dass sexuelle Nötigung einer der milderen Begriffe ist, die dem narren durch den Kopf schiessen.
Immerhin führt es dazu, dass der Fußgänger Platz nimmt und sich eine Apfelschorle bestellt. Dann ist der narr etwas verdutzt, weil die blaue Lederhosenfrau sich zu ihm setzt.
Die blaue Lederhosenfrau heisst deswegen so, weil der narr sie in ihrer Ausbildung bei einer Bank kennenlernte, und sie die erste Frau war, die eine blaue Lederhose trug, jahrelang als Einzige trug und vom narr bemerkt wurde. Eigentlich fand der narr sie ganz nett, wie man Leute eben nett findet, die man nicht weiter kennt. Und ausgerechnet zu dem ungenierten Ausschnittglotzer setzt sie sich an den Tisch.
Das kommt häufig vor beim narren. Dass er Leute nett findet und sich dann wundert, wieso die mit Menschen reden, lachen oder schmusen, die der narr für ganz fürchterlich hält..
Dr. Tod schiebt seine Plautze und eine Kartusche Silikon durch die Fußgängerzone.
Geh nicht in die Notaufnahme des städtischen Krankenhauses, denkt der narr. Der Sanitäter trägt nicht umsonst diesen Spitznamen.
“Keinen Doktor, keuch, keinen Doktor, hust,” sagt Baron von Münchausen immer.
Erkennt man am Gang einer Person die innere Haltung?
“Mama, ich verdurste”, sagt leise ein Kind aus einem verschleierten Kinderwagen.
Diese heißen Sommertage haben es in sich.
 
narr

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