„Red nicht so laut, herrscht die alte Tochter die noch ältere Mama an.

„Red nicht so laut. Hier wohnen lauter böse Leute.“

„Was“, brültt Mama?

Mit unpassendem, angeekeltem Entsetzen dreht sich die Tochter um, ob die Bösen näher kommen.

„Frohe Ostern“, sage ich freundlich, aber die Tochter hat so viel Schlechtes über die Oberstadt gehört, da zerrt sie lieber erschreckt an Mamas Rollator, dass diese fast stolpert, aber noch freundlich: „Auch Ihnen ein frohes Osterfest“ erwidern kann.

Ja. Die Oberstadt hat ihren Ruf weg. Unverdientermaßen, natürlich.

Frau Nachbarin von der SozialarbeiterInnenfront sieht das ähnlich. Sie kommt für einen langen Plausch ans Fenster, redet wie ein burschikoser Wasserfall in einer Stimmlage, in der sie besser Blues singen sollte, von ihrem doofen Vermieter, dem Anwalt, mit dem sie gegen den Hai angeht und ihren Spaß an dieser Gegend.

„Ich will hier nicht weg. Im Gegensatz zu den übrigen Stadtteilen steckt hier noch Leben drin.“

De Hochzeitsmusiker geht vorbei. Er färbt sich auch schon dreißig Jahre das wohlgelegte Haar schwarz.

Viele tragen übrigens, als Zeichen von Integration, einen sauerländer Pilsbauch vor sich her.

Ein frischgestylter Frisörkunde versucht, seine duftgewässerte Ausdünstung mit Honig-Karamell-Melonedampf zu überlagern.

Was ihm auch gelingt.

Allerdings ist es jetzt neblig.

Trotz der Sichteinschränkung versucht ein BMW-Honk auf fünfzig Metern Höchstgeschwindigkeit zu erreichen um kurz vor einer Ampel an einer Stoßstange zu halten.

Sein dumpfer Beat klingt scheußlich aus dem Nebel.

„Hast du eine Gießkanne“, fragt unvermittelt die Sozialarbeiterin durch den Dunst.

„Ich hab jetzt ein Hochbeet, aber vergessen,, mir was zum Gießen zu besorgen.“

Ich gebe ihr eine, die sie auch nach zehn Minuten durch das Fenster zurück reicht.

„Das hat gutgetan. Danke“, sagt sie.