Spätestens mit dem Beginn des „Snowman„von Raymond Briggs weiß jede Katastrophe und jedes Kind in der Stadt, dass das Jahr bald vorbei und Weihnachten die kurze Episode davor sein wird.
DSC00153Dass ich kein Weihnachtsfreund bin, dürfte allgemein bekannt sein. Um so erstaunlicher, dass es fast kein Jahr gab, in dem ich den Snowman nicht sah.
Das Theater riecht dann nach Nelken und Orangen, was an dem englischen Weihnachtsöl liegt, welches der Hauptakteur vor jeder Veranstaltung im Theater und auf den Toiletten versprüht. Überall stehen Schneemänner, selbst vor dem Theater bläht sich ein neues Plastikmodell (mit Innenbeleuchtung) auf. Weihnachtskarten, stimmungsvolle Gehängsel von der britischen Insel, gedämpftes Licht, heimelig-warme Heizkörper und Kinder.
Zuerst nur die Kinder, die von ihren Eltern eine dreiviertel Stunde zu früh abgegeben werden.

Kein junges Kindlein in der Stadt, dass nicht ein Snowman - Trauma hat.
Kein junges Kindlein in der Stadt, dass nicht ein Snowman – Trauma hat.

Wirklich spannend, diese Eltern, die noch nie im Theater waren, kurz, das Kind an den Schultern haltend, den Kopf hereinstecken, Witterung aufnehmen, checken, ob das wohl der richtige Ort sei, und mit dem selbstbestätigenden Nicken, alles gut, ihr Kind hereinschieben, um auf dem Absatz kehrt zumachen und zu verschwinden.
Der Brite fängt sie auf, die Frühchen, zeigt ihnen die Plätze, bittet sie, die Mäntel auszuziehen, macht Späße. Alles auf englisch. Dann der erste, der zweite, der dritte Schwung, die Schulklassen sind anwesend und jetzt auch die LehrerInnen.
Die erste Vorstellung, 8.45 Uhr, kann beginnen.
Es ist ja eigentlich die 235 Vorstellung. Rechnet man pro Vorstellung durchschnittlich 70 Personen, hauptsächlich Kinder, sind es bis jetzt 16450 Lollipops, die der Brite unter das Publikumsvolk gebracht hat.
Ich mag die Veranstaltungen. Eigenes Ambiente, eigener Charme, eigener Geruch. Und wenn ein Smartphonekind in der ersten Reihe noch erstaunt fragt:“Huch! Wie hat er das denn gemacht“, weil Herr Smith mit den Fingern schnippste und die Weihnachtsbaumbeleuchtung ansprang, hat es sich schon fast gelohnt.
An einer Stelle kichern immer die Lehrerinnen, die dem Text folgen und ihn auch verstehen. Wenn er die Schneekugeln rollt, die Mädchen herauskommen, mit ihm spielen wollen und er davonäuft. Ganz leise kichern sie da.
Leise kichern die Lehrerinnen
Leise kichern die Lehrerinnen

Natürlich verstehen die Kinder nicht jedes Wort. Das geht den Erwachsenen ähnlich. Das ist auch nicht nötig. Alle verstehen die Geschichte. Was aber wichtiger ist: alle spüren die lustvolle Ernsthaftigkeit, mit der der Herr Smith die Geschichte erzählt. Mr. Lollipop verstäubt Magie. Routiniertes Handeln und Spaß an der Ausführung.
Da schau ich doch gerne.
Nur ein Wermutstropfen trübt den runden Genuss. Es gab die Zeit, da wurden die gezeichneten Bilder von Herrn Briggs (wobei ich gar nicht weiß, ob er auch die Bilder gemalt hat) mittels eines Dia-Projektors auf eine Leinwand geworfen. Heute macht das ein Beamer ganz großartig sanft mit fließenden Übergängen und geräuschfrei.
Der Dia-Projektor machte scritsch-scrätsch und jede Person im Publikum wusste, jetzt kommt ein neues Bild. Die Aufmerksamkeit sprang, dank akustischer Unterstützung, ruckartiger zwischen Erzähler und Leinwand hin und her. Das war stimmungsverdichtend, wenn mehrere Bilder hintereinander erscheinen mussten. Ursprünglich Hilfsmittel, irgendwann theatralisches Beiwerk, Illusion des Familiären.
Aber auch ohne scritsch-scrätsch ist es jedesmal ein Spaß.
Merci, Mr. Lollipop

0 comments

  1. I’ll write it in English.
    Why do I tell the same story over and over again?
    I do it for the joy of seeing a childs glowing face. Children tend to understand more of what I’m saying. The majority of adults seem to stumble over every unknown word and stay there…. gloomily pondering over it …. seaching their brain cells for enlightenment … what a pity.
    I also perform so that you all can expel your harsh daily lives, your troubles, your worries and simply swim on the crest of a lovely story.
    Stay young and free ….. even if you are as old as I am!
    Merry Christmas …. send someone some love.
    Martin Smith

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