Jetzt ist es Mai.
Die Arbeiterrevolution ist ausgefallen, da nachmittags noch ein Fußballspiel war. Und mit der aufgschäumten Soja-Latte in der Hand wirkt Klassenkampf doch eher albern.
Die Jugend der Stadt sucht ihr flüchtiges Glück in geruchsoptimierten Dampfwolken.
Autofahrer mit Steingesicht sitzen Blech an Blech.
Auf dem Pflaster vor der Metzgerei steht mit weißer Kreide geschrieben: 007.
Ist das der Platz für den Bratwurstbond, mit seiner Bratwurstbraterei?
Ein vermummter, grüner Bogeschütze sucht Edgar Wallace, Dudelsackpfeifer mit wallendem Haar suchen Mel Gibson. Langsam füllt sich die Stadt mit weiteren Pestverehrern.
Zu Ehren der Götter und der Pest wird Lachs verbrannt und Met in die Rinne geschüttet.
Ein Zaunkönig hat ein Nest im äußeren Kabuff des Hauses gebaut und heute das erste Mal nicht geschimpft, als er mich sah. Vielleicht werden wir ja doch noch gute Nachbarn. Das Rotkehlchen hat nichts dagegen.
In Gelsenkirchen gibt es vielleicht bald Eieruhren mit Sandgetriebe für Kurzparker. Wenn es so kommen sollte, gibt es auch bald Sandgetriebefälscher. Für zehn Minuten, die ewig dauern.
Blechkotzenuser sind schon Füchse.
Frau Leberwurst ist Gully-affin. Kaum hat der Arbeiter von der Kanalreinigung den Gullydeckel angehoben, steht sie an einer Seite und schaut in den Schacht, während er Kabel-und Schlauchgedöns herunterbugsiert.
Er strengt sich mühsam an, sie hört nicht auf, ihn verbal zu bedrängen, dann blicken sie wieder gemeinsam hinunter.
Gleich wird sie ihr Fläschchen Essigessenz herausholen und den Gullyrand besprühen, vielleicht auch den Arbeiter selber.
Dann kommt sie und erzählt, dass man ihren Kanal vergessen hätte. Jetzt wäre irgendetwas zu und müsse mit dem Kanalroboter aufgefräst werden. Jedenfalls habe sie Rückstau und zehn Zentimeter Wasser im Keller stehen.
Ein Kind mit ‚Trisomie 21 bückt sich, zeigt auf das Zonenpflaster und greint und bockt. Die Mutter, oder Betreuerin steht daneben, redet sanft auf es ein, blickt zu dem Autofahrer, der nicht weiterkommt und genervt mit den Fingern aufs Lenkrad trommel.
Das Kind zeigt weiter auf das Pflaster, greint und geht nicht weg. Sanft redet die Begleiterin, das Kind reagiert, hört zu, nickt, zeigt weiter auf das Pflaster und bleibt. Sie signalisiert dem Autofahrer, sie zu umfahren, was der auch tut.
Dann reißt einem völlig unbeteiligten Gast des Kultcafes der Kragen.
Sie steht auf, sagt wirklich übergriffig: „Ich mach mal“, hockt sich vor das Kind und redet laut und bestimmt auf es ein.
Keine Reaktion.
Sie nimmt die Hände und Arme des Kindes, will es vom Boden in den Stand ziehen, worauf das Kind: „Aua aua“ schreit, sich auf den Boden wirft und brüllt wie am Spieß.
Empört steht die selbsternannte Superpädagogin auf, schaut die Mutter, oder die Betreuerin böse an und geht weg.
Die Mutter oder Betreuerin lächelt milde und müde. Diese Spezies begegnet ihr mehrmals die Woche.

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