Abwartende Stimmung, mit dumpfem Schlagwerk untermalt. Hurra, wir leben noch.
“Wir haben extra den Stuhl für sie so hingestellt, dass sie da bequem sitzen können”, meint eine Verkäuferin von Filiale 42.  Eine andere Kundin schüttelt den Kopf.
“Die haben sie aber im Griff.”
Begriffe wie Perpetuum mobile oder klinische Aversion rollen träge über die Tische.
Die Finger wollen nicht so wie der Kopf. Früchte fliegen auf das Pflaster. Kleine Klitorisschnauzer lecken sich die Lefzen.
Heut san lauter Wuide unterwegs.
Die Frau, die aus der Welt gefallen ist, steht an der Telefonsäule, zupft an ihrem Schnurrbart und starrt auf die Tastatur. Ihr sind die Verrückten egal.
Der alte Raucher im Rollstuhl braucht Hilfe, da er sich aus eigener Kraft nicht aus seinem Kippenberg herausrollen kann.
Ein japanischer Forscher hat ein Stützkorsett entwickelt, über das Herr Gibson schon vor dreißig Jahren geschrieben hat. Eines mit kleinen Elektromotoren und einer Maschine/Mensch Schnittstelle. Da können Lahme tatsächlich wieder gehen. Drei Stunden, dann ist der Akku leer.
Warten auf den medizinischen Dienst.
Heiser, weil die alte Dame zu eitel ist, ein Hörgerät zu tragen.
Warten auf den medizinischen Dienst.
Warten deswegen, weil der medizinische Dienst schon in seiner anmaßenden Ankündigung droht, bei Nichteinhalten des Termins erst viel viel später, Monate später, erneut zu erscheinen, und wehe, die Formulare sind nicht ausgefüllt.
Es ist eine Premiere. Eine, vom Staat eingesetzte Institution soll helfen. Um diese Hilfe zu erlangen, müssen gewisse Kriterien erfüllt werden. Das leuchtet ein. Aber Horroinformationen von anderen Angehörigen im Vorfeld, deren bettlägerige Familienmitglieder noch einen Arm heben konnten und deswegen keine Hilfe bekamen, weswegen sich die Angehörigen die Seele aus dem Leib pflegten, sind zu Hauf im Umlauf.
“Wir kommen zwischen zwölf und zwei.”
Das ist doch eigentlich eher eine Handwerkerzeitangabe. Wir kommen so zwischen dann und dann, aber in Echt kommen wir zwei Tage später.
Nein, um halb zwei war sie dann da. Eins achtzig groß, schlank, schickes, schlichtes Perlenkettchen, modisch gekleidet mit schlappem Laptop.
“Gestern hat sich eine Katze auf die Tastatur gelegt. Da ist er mir abgestürzt.”
Fragenkatalog abfragen, Füße, Rücken, Schlafzimmer, Bad gucken, tippen, tippen, tippen, weiter nett fragen und eintragen.
Nach neunzig Minuten war sie fertig
“Und? Womit kann ich rechnen?”
“Ja, genau kann ich das nicht sagen, ich empfehle nur. Aber Pflegestufe I wird es wohl werden. 100 Euro. Für Pflegestufe II fehlt die therapieresistente Halluzination.”
“Die bitte was?”
“Die therapieresistente Halluzination.”
“Sie erkennt uns nicht, hält uns für andere Personen, weiß nicht, wo oder wer sie ist. Fällt das nicht in den Bereich theraphiersistenter Halluzination?”
“Nein.”
“Nein?”
“Das ist demenztypisches Verhalten. Mit Kot zu spielen, reicht nicht.”
“Sie muß dem Kot erst Namen geben und mit ihm Puppenstube spielen?”
“Wenn das der Facharzt diagnostiziert, und es zudem noch theraphieresistent ist, dann bekommt sie Pflegestufe II.”
“Wie oft hat man sie eigentlich schon beschimpft?”
Sie schaut mich an, und in ihrem Blick liegt die ganze Spannbreite zwischen persönlichem Wollen und staatlicher Vorgabe”.
“Kommt vor. Gelegentlich.”
Und sie stößt mit der alten Dame an, “auf Ex, kommen Sie. Machen Sie mit.”
narr

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