Solange der Herr Wolfgang Weist im Lügenland noch keine eigene Abteilung hat, mach ich, weil ich ihn mag, hier ein wenig Werbung für ihn und für seinen ersten, fertigen Roman „Galzmann„.
Da kann ich auch gleich der Frau Sonja Heller – http://www.bufbi.de/  http://www.sonjaheller.de/ – für das Bild für den Buchumschlag danken.
 

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Eine kleine, weitere Leseprobe gibt es auch noch.

Aus dem siebten Kapitel: „Zirkuspferde erholen sich schneller„.
 
Für einen kurzen Moment hoffte Claude, in seine Starre zu fallen, seinen Gedankenfluss abstellen zu können.
Heut ist der Wurm drin, dachte er. Ich bin unruhig, wie schon lange nicht mehr.
Ein Symbol poppte auf dem Bildschirm auf, um anzuzeigen, dass der Scanvorgang abgeschlossen war.
Rechner aus, Monitor aus, Drucker aus, Licht aus, raus.
Auf der Stelle herumgedreht und gleich wieder rein.
Wenigstens versuchen wollte er es. Er tastete sich im Dunkeln vor und setzte sich.
In der Finsternis des Büros schien das Tempo seines Herzschlags anzuziehen. Als ob der lichtlose Raum seine Empfindungen verstärkte.
Blitzlichter von Zenzi, von Marlene, von Ketchup und schwimmenden Ratten schossen durch seinen Geist.
Weises Lachen gepaart mit dem Satz: Es sterben laufend Menschen vor laufender Kamera. Als Endlosschleife.
Er schüttelte den Kopf und knurrte in der Hoffnung, die Schleife zu durchbrechen. Manchmal half Knurren.
Es hatte geholfen, als er, zwölfjährig, in Froschlaich stand, um für eine Mutprobe einen Frosch aufzublasen.
Er hatte immer behauptet, dass es eine Mutprobe gewesen war, auch, wenn er genau wusste, dass es nicht stimmte. Aber das wollte er sich nicht eingestehen.
„Komm da raus“, hatte sein Kumpel gesagt. „Das ist doch voll eklig.“
Aber er wollte es wissen und er knurrte.
Bis zu den Knien stand er in dem benzinig schimmernden Schaum, Kaulquappengewimmel an den Waden, kleine panische Frösche und große paddelnde Frösche zwischen seinen Beinen.
Die Schaumspritzer trockneten knisternd an der Hautoberfläche seiner halbnackten Oberschenkel.
Links hielt er den Strohhalm. So einen aus richtigem Stroh.
So einen, wie ihm sein älterer Bruder Wochen zuvor im Spaß in den Rachen gerammt hatte, dass er Blut spucken musste.
Die Reaktion des Vaters war eine Ohrfeige für den Bruder gewesen.
So fest war der Schlag, dass der Kopf des Bruders gegen seinen geprallt war, der eigene Kopf gegen den Kühlschrank knallte und eine tiefe Fleischwunde am Augenwinkel das Resultat war.
So einen Strohhalm hielt er jetzt links wie einen Dolch, während die rechte Hand über dem Froschgewimmel schwebte, jederzeit bereit, bei Augenkontakt zuzugreifen.
Frösche sind glitschig und flink.
Die Hand wollte nicht richtig zugreifen aus Angst, den Frosch zu verletzen.
Die Bewegungen wurden immer hektischer. Das Brackwasser schlug Wellen und spritzte ihm in die Augen.
Der Frustpegel stieg höher.
„Das ist doch doof“, quengelte sein Kumpel, doch das Jagdfieber stieg.
Wieder und wieder stieß die Hand zu, stach der Strohhalm durch Laich und Blasen. Dann war da auf einmal der Frosch in der Hand und zugedrückt.
Fest zugedrückt, noch fester, bis die Amphibienhaut riss und Blut mit Eingeweiden durch seine zusammengepressten Finger quoll, die er seinem Kumpel vor die Augen hielt.
Der kotzte augenblicklich in das Wasser und es war wie der Startschuss zur Raserei.
Für einen Moment hielt der Wahnsinn den kleinen Geist gefangen, ließ alles hochsteigen. Die Verletzung am Augenwinkel, die dummen Sprüche des Sportlehrers, die Demütigungen und Schläge der Klavierlehrerin, das große Versagen beim Konzert, alles platzte auf wie ein überreifer Furunkel, und da, wo Tropfen gelben Eiters landeten, starben Frösche. Zertrampelt, zermatscht, zerfetzt, zerquetscht. Ein Froschmassaker.
Keuchend riss Claude seine Augen auf in der Dunkelheit des Büros.
Innere Ruhe war etwas anderes.
Das Froschmassaker lag schon so lange zurück, trotzdem hatte er das Gefühl, jeden Spritzer in diesem Moment auf der Haut zu spüren. Er hatte den Geruch des Brackwassers in der Nase. Er konnte die Konsistenz des Froschlaichs zwischen den Fingerspitzen fühlen. Das alles hatte sich tief in ihm verankert.
Am unangenehmsten aber waren die Scham und der Ekel vor sich selbst.
Beides hatte er damals ganz heldenhaft heruntergeschluckt, hatte sich, wenn auch mit großer Kraftanstrengung, nicht übergeben. Die Tränen hatten sich mit den Schleimspritzern vermischt und waren als solche nicht zu erkennen.
Sein Kumpel damals war weggerannt, er selbst zitternd und erschöpft aus dem Betonbecken geklettert mit dem Entschluss, nie wieder zu den Klavierstunden zu gehen.
Seine erste, wirkliche Entscheidung.
Wenn aber, so dachte er später, so viel Froschmord nötig war, eine Entscheidung zu treffen, wollte er keine weitere treffen. Unterstützt wurde diese Einsicht ein Jahr danach durch die Bügelprügel seines Vaters.
Eine Entscheidung, doppeltes Leid.
Von außen drang gedämpftes Hupen in die Dunkelheit.
Die unterschiedlichen Tonlagen der Signalhörner ließen einen Autokorso vermuten.
Akustische Belästigung einer wahnsinnigen Blechschlange.

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