brücke1Meine täglichen, magischen 45 Minuten sind ein Überbleibsel meiner Ausbildung zum Raumausstatter.
Im ersten Lehrjahr verdiente ich 250,-DM, meine Wohnung kostete 250,- DM, und die ersten Monate, ohne Kontakt zum Elternhaus, gehörte klaufen – ich glaube, Seyfried prägte diesen Ausdruck – zum normalen Alltag.
Kurze Zeit später begann ich, zusätzlich zur Ausbildung, Zeitungen auszutragen. Morgens um drei, weil die Arbeiter*innen vom Kalkwerk um halb vier die Zeitung auf dem Frühstückstisch haben wollten.
Ohne große Unterbrechung ging es um halb acht weiter in der kleinen Garagenwerkstatt oder der Nähstube meines Ausbilders. Bis zur Mittagspause. Sechzig Minuten. Ausreichend für einen Kaffee, eine Zigarette und fünfundvierzig Minuten wegnickern, egal wo.
Auf Afrikmatten, auf einer Rolle geleimter Watte, egal wo, Hauptsache liegen, Augen zu, gleichmäßig atmen und weg.
Das nächste Level erreichte ich auf der elterlichen Zweisitzercoutch nach dem ersten Lehrjahr. Selbstständigkeit ist gut, vertragen ist besser. Fünfundvierzig Minuten nickern mit Alltagsgeräuschen wie Staubsaugen, WDR 2, Topfgeklapper und Straßenlärm. Es war der fliegende Teppich in mein Inneres.
Magische fünfundvierzig Minuten voller bunter Bilder, fremder Orte, Lösungsansätze meiner Alltasgsprobleme oder gänzlich neuer Ideen.
Das ist bis heute so geblieben. Die Alltagsgeräusche sind verschwunden, an ihrer Stelle sind Gänsehäute getreten, die beim Hinlegen über den Körper kribbeln und mich erschauern lassen beim Betreten meiner inneren Welten. Und nach exakt fünfundvierzig Minuten werde ich wach. Ohne Wecker, ohne Vorsatz. Und nicht selten bringe ich eine neue Idee mit.
Eine sehr gute Angewohnheit.

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