DSC00620In die Lungenklinik zu fahren, um einen guten Bekannten zu besuchen und dann von einer Schwester gesagt bekommen: „Der ist nicht hier. Rufen Sie bitte die Angehörigen an. Ich darf Ihnen da nichts Weiteres zu sagen“, kann einen ganz gut aus der Bahn werfen.
Gestorben an Arschloch Krebs. Nichtraucher, zehn Jahre jünger als ich, zwei Kinder, bis Anfang Dezember fit, quirlig,mit fettem, krähenden Lachen.
Jetzt ist Anfang März, und der Krebs hat ihn gefressen.
„Hab ich kleinen Tumor in Lunge“, sagte er anfangs und drückte auf die unteren, hinteren Rippen. Da war sein Bauch noch kugelig, das Che Guevara Shirt stramm und die Hautfarbe normal.
„Nicht gefährlich. Muß ich Klinik, sagt Arzt. Nach Hemer. Das sind die Besten.“
Die Lungenklinik in Hemer hat einen guten Ruf.
„Alles gut“, sagte er am nächsten Tag. „Muß ich einmal die Woche hin. Ambulante Chemo. Jetzt Mittwoch geht los.“
Am Freitag stand er schon wieder hinter dem Tresen, schimpfte über europäische Politik und die Drecksrechten.
„Schmeckt wie Metall. Aber geht.“
Nach dem dritten Mittwoch war der Bauch weg und die Haut fahlgelb.
„Ist normal, sagen Ärzte. Erste Staffel vorbei. Jetzt Pause, dann nächste Staffel.“
Nach der nächsten Staffel schlabberte die Hose, war das Gesicht hohlwangig und die Stimme leise.
Die letzten beiden Staffeln verbrachte er in der Klinik.
Die Besuche in seinem Cafe wurden sporadisch. Hinter dem Tresen zu stehen, schaffte er nicht mehr.
Ich erschreckte mich, als ich ihn dort traf. Er sah aus aus, wie mein Vater kurz vor seinem Tod.
Im Februar besuchte ich ihn zu Hause. Er saß kalkbleich und nach Luft ringend zusammengesunken vor seinem Inhalator. Reden war kaum mehr möglich. Er weinte, während er eine griechische Nachrichtensendung sah. Die Schlechtigkeit der dort gezeigten Welt war zuviel.
Gestern wurde er beerdigt.

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