Heute ist der „Ich sehe tote Menschen“ Tag. Auf dem Markt ein Typ, gleiche gebückte Körperhaltung, blonde, etwas längere, strähnige Haare, schlacksige, ungelenke Bewegung, Whispa. Schon ewig tot, hier auf dem Markt.

Gegenüber der Filiale 43 sitzt ein Klon meiner verstorbenen Schwester, raucht wie sie, sitzt wie sie, starrt wie sie.

Gesichter verlorener Hoffnungen gibt es so viele in der Stadt.

In jedem Lächeln wohnt Qual und Schmerz im Erdgeschoss.

Der Rollerkauf erweist sich als Fehler. Der Wackelkontakt bleibt stabil instabil, alle Werkstätten winken ab, ich bin frustriert.

Meine Laune wird auch beim Pantoffelkauf nicht besser, da es keine Pantoffeln gibt, die mir gefallen.

Mimimi, die Welt ist schlecht.

Die alte, weiße Herrenbande in der rechten Ecke der Filiale ist empört über die Lebensmittelkombination eines neu eröffneten Ladens.

„Der hat so Frikadellen und Softeis, aber die Frikadellen heißen irgendwie anders.“

„Falafel“, protzt ein Kumpel mit rudimentärer Internationalität.

„Ja. Ich fahr auch gleich nach Affeln. Da ist die Rechte noch stabil.“

Und ja. Tatsächlich ist Affeln, Deilinghofen, die ganze sauerländer Ecke da eher naziesk.

Aber die halbe Weltbevölkerung und fast alle Regierungen sind dem Faschismus zur Zeit durchaus nicht abgeneigt.

Sich mit anderen Ethnien auseinanderzusetzen ist viel zu umständlich und aufwändig. Unterdrücken und auf die Fresse geht doch viel schneller. Wir beherrschen die Unterdrückung seit sehr vielen Generationen. Es liegt uns im Blut. Weiß, gradlinig hinterrücks, rechtswinklig kolonial. Wir bestimmen die Norm.

Wie zum Beweis marschieren gerade die Schießer vor ihrem Gott mit Tschinderassabum, Hofstaat und jeder Menge Alkohol im Blut, Bürgertreue und Einigkeit, durch die Zone.

Endlich dürfen Frauen wieder ihre langen Prinzessinnenkleider tragen, während die Piccoloflöten das Trommelfell zerfetzen. Gut Schuss. Und weil Alkohol der sauerländische Gleichmacher Nr.1 ist, sind die Karnevalisten auch im Gleichschritt vertreten. (Süß ist es, wenn dickbäuchige Schützen in Uniform auf der Stelle trippeln, um nicht aus dem Gleichschritttakt zu kommen.)

Und bayrische Schützenjodler.

Der Aufmarsch unterer Mittelmäßigkeit, stets bereit, Kimme mit Korn zu verwechseln.

„Gut, dass junge Menschen dabei sind. Sonst würde alles den Bach runtergehen“, sagt eine Tischnachbarin.

Wenigstens tragen sie keine Mullbinde am Ohr.

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