Die männlichen Politessen der Stadt, einer türkisch, einer italienisch, gehen aufgeblasen und superwichtig mit einer Akte in der Armbeuge und dem Handy am Ohr über den Bürgersteig. Da ist bestimmt irgendwo ein Abfalleimer an einer Laterne undicht.
Stavros, der ihnen entgegenkommt, erzählte mal, wie sie das in Griechenland mit der Ordnungsmaut handhaben.
Er halte den “Blick weg Zwanni” kleingefaltet mit dem Daumen sicher in der Handfläche, für eine eventuelle Palmage, unsichtbar für den aussenstehenden Betrachter, bevor dann der Geldschein den Besitzer wechselt.
“Kannst du machen überall. Bei Arzt, Polizei, im Rathaus sowieso. Nur hier geht nicht, malaka.”
Wobei das “hier” sich weniger auf die Ehrlichkeit der Ordnungsamtsmitarbeiter sondern eher auf deren Nationalität bezieht. Ein Grieche, der einen türkischen oder italienischen Ordnungshansel besticht? Da stehen viele eigene Befindlichkeiten im Weg
Währenddessen stürmt ein DHL Mitarbeiter geräuschvoll in Filiale 43, überreicht dem narren – wo ich sie hier grad sitzen sehe – ein Päckchen von Amazon und verschwindet wieder geräuschvoll. Wie gut, dass der narr keine Waschmaschine bestellt hat, sondern nur Zero History von W. Gibson.
Wäre der narr William Gibson, ihm würde aus Angst vor weitern Veröffentlichungen ganz schön die Tastatur flattern.
Was mag das für ein Gefühl sein, wenn ein Autor mit seinen Beschreibungen, geboren in der vergangenen Phantasie, zukünftige Ereignisse, Zustände technischer und gesellschaftliche Natur so exakt beschreibt, wie sie, zunächst mit zwanzig Jahren Verspätung, dann aber immer nährer Richtung Gegenwart, tatsächlich existieren. Cyberpunk, Virtualität, Geo-hacking.
Ein verstorbenes Mitglied des ChaosComputerClub war in der Lage, den Binärcode direkt zu lesen, zu erkennen und gegebenenfalls umzuändern.
Über so ein Talent hat Herr Gibson auch geschrieben, lange, bevor das Mitglied geboren war. Gestalter der Zukunft ohne es zu wollen. Puhh.
Wenn man wollte, könnte man sagen, Alles, was geschrieben war, ist und wird, hat die Realität mitgestaltet. Vielleicht mag es nichts Neues unter der Sonne geben, aber wie viel unter der Sonne überhaupt ist, weiß ja niemand. Da wird für Jeden immer ein wenig Neues dabei sein.
Der narr hatte mal in seiner späten Jugend die Idee, jeden Tag irgendetwas Neues zu machen, erleben, denken, gestalten, sehen.
Das ist ganz schön schwer.
Und das ist auch nicht vorbei. Nur etwas eingeschränkt. Nicht mehr täglich. Nicht zwangsweise, obwohl der Kanal ständig geöffnet ist. Und ein Gefühl entscheidet, welches Neue wichtig ist. Die Altlasten sind es, die einen festnageln.
Eine halbe Tonne Mensch, auf drei Personen aufgeteilt, geht über das Pflaster. Die Steine ächtzen, bewegen sich mahlend tiefer in den Untergrund.
Ein Raucher schafft es im dritten Anlauf, seine Kippe im Gulli verschwinden zu lassen. Fast schamvoll scharrt er mit seinem Fuß über das Gitter, bis der Tabakrest endlich verschwunden ist.
Na ja, er ist ja nicht verschwunden. Das Nikotin kann im Wasser richtig seine Wirkung entfalten.
Da ist das Bild des zivilisierten Menschen der letzten 150 Jahre. An der Oberfläche sauber und genußorientiert, während er den Rest der Welt jeden Tag mehrmals ein kleines Stückchen mehr vergiftet.
Gibt es im Windkanal getestete Gesichter?
Manchmal hat der narr die Vermutung. Und wenn die Leute dann durch die Welt gehen, hat er nicht den Eindruck, der Wind sei abgestellt. Allenortens Gegenwind, der den Kopf auf den Rumpf und nach hinten drückt, das Gesicht plättet, so das einzig die Nasenlöcher etwas aufgebläht wirken und an den Wangenknochen kleine Verwirbelungen entstehen. Die Oberlippe zieht zurück, bei stärkerem Wind flattert sie, nur gehalten von dem Lippenbändchen.
Phhrrhhrr.
 
narr

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