Das kann ich gut.
Eine Krankheit solange verdrängen, bis die Aufgabe erfüllt ist, um nach dem Schlussapplaus stilvoll zusammenzuklappen.
Jetzt hab ich das Bild von blutigen, stacheligen Fetzen an Stelle von Lunge oder Bronchien vor Augen.
Atmen schmerzt, Schlucken schmerzt, Husten Hölle, gepaart mit Schweißausbrüchen und Frieren.
Bei meinem Hausarzt, seit vierzig Jahren vertrautes Gegenüber, herrscht im Wartezimmer eine Husten-Röchel-Sputum zieh hoch – Kakophonie.
Jean-Paul – der eigentlich Filippo heißt und vorgibt, früher wie Belmondo ausgesehen zu haben- ist da und reicht mir die Hand.
„Schon zweite Mal heute. Was machst? Verfolgst mich?“
„Jeden Deiner Schritte.“
Er lacht so laut, dass der Sohn des Pizzabäckers aufmerksam wird und aus dem Wartezimmer grüßt. Der Einarmige betritt nach mir die Praxis. Heute scheint die gesamte Nachbarschaft vertreten zu sein.
Jean-Paul wird angerufen, und da er auf Lautsprecher gestellt hat, können wir alle mithören, wir er mit seiner Tochter auf italienisch telefoniert.
Ein anderer, schmetternder Klingelton, und jemand spricht lautstark in glasklar akzentfreier, deutsch-türkischer Sprache.
Ein Ping, ein Jodler, vielleicht halluziniere ich schon.
Dafür könnte die Mischung aus afrikanischen Schnitzereien, Herzschrittmachen in Kunstharz-Optik, Steinen und Familiengalerien im Behandlungsraum durchaus sprechen.
Des Docs Gemahlin lacht aus einem Bilderrahmen.
Es gab eine Zeit, da spielten sie und ich gemeinsam Pferd in Iserlohn.
Nach diesem Gedanken beschleicht mich die Befürchtung, mein ganzes Leben sei eine Halluzination.
„Sag an.“
„Mir hat jemand in der Nacht von Samstag auf Sonntag Stacheldraht in Lunge und Bronchien gepflanzt.“
Er steht auf und legt sein Stetoskop um. Ich will mich meiner oberen Kleidung entledigen, aber er winkt ab, drückt mich mit links zurück in den Stuhl, während seine Rechte mit dem Stetoskop unter meiner Garderobe verschwindet.
Jetzt erst merke ich, wie verschwitzt und klebrig meine Haut ist.
„Ach, da hab ich schon Schlimmeres gehört,“ bekomme ich als Antwort für meine dramatische Ansage.
„Kommt der böse Husten, nachdem Du Dich hingelegt hast“, fragt er, mich über den Brillenrand anschauend. Irgendetwas schwingt in seiner Frage mit, aber ich kann nicht feststellen, was es ist.
„Ja. Bei genauerer Betrachtung.“
„Gut. Tablette und Tropfen nach dem Essen. Morgens und Abends eine, bis die Packung leer ist. `Ne halbe Stunde vor dem Schlafengehen 30 Trpf. Auf einen Teelöffel Zucker.“
„Wie bei Mary Poppins.“
„Ich schreib Dich bis Freitag…“
„Brauchst Du nicht.“
„Ach ja.“
„Grüße an die Frau Gemahlin.“
„Wenn ich zu Wort komme.“
Aus dem Behandlungsraum in die nächste Halluzination.
Oder wieso sonst sollte jetzt der ehemalige Bürgermeister in der Schlange vor der Rezeption stehen.
In der Apotheke werde ich mit Werbetaschentüchern und Brustkaramellen beschenkt und bekomme außerdem noch Antibiotika und Codein.
Schon mit Blick auf mein Bett und einem Knie aus der Hose, klingelt es.
Der Schornsteinfeger ist da.
Jetzt wird alles gut.

crazyw1
you do like voodoo

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