“Morgen narr,”
brummelt es dem narren entgegen. Der narr stutzt, nutzt die kleine Pause des Brillenputzens – endlich fällt der langerwartete Regen – dann schaut er sein grüßendes Gegenüber prüfend an, vermisst irgendein Wiederkennungszeichen und grüßt freundlich zurück.
Der narr hat die Erfahrung gemacht, dass unverbindliches freundliches Grüßen die Leute auf Distanz hält.
“Der ist kein Schrankener”, flüstert ein Kind mit türkischen Wurzeln.
Dann buchstabiert das junge Mädchen leise “Mendener” fehlerfrei. Ihr gleichaltriger Bruder möchte am liebsten alle kreisenden Fliegen wegschießen.
Im Moment erscheint die Welt dem narren wie eine große, geduckte, schwer atmende, warzige Kröte. Sie hält die Augen geschlossen, nur das atmungsbedingte Heben und Senken des Körpers verrät einen gewissen Anteil an Leben.
Der narr hat Respekt vor der dicken, klebrigen Zunge, und wer unbedacht zu nah am Maul vorbeigeht, wird abgeschossen und in den Schlund gezogen.
Manche lecken der Kröte den Schleim von dem Körper und hoffen, auf irgendein Halluzinogen zu treffen.
Küss den richtigen Frosch und du halluzinierst dir eine Prinzessin. Küss den Falschen, und du wirst exotisch sterben.
Apropos.
Der Tod mit seinem spitzen Knochen hat wieder kräftig zugestochen.
Desperate deathparade.
Ist es nicht immer wieder erstaunlich, wie der Nachname eines Menschen seiner Berufssparte entspricht?
Panikforscher Schreckenberger, der soviel Sermon absonderte über die Lovekatastrophe, dass er sogar von einem Nachrichtensprecher abgewürgt wurde, ist so ein Fall.
Gegenüber hat ein Heilpraktiker für Tiere sein Studio eröffnet. Katzenyoga, Pilates für Wellensittiche und Goldfische, Globuli für die Wüstenrennmaus.
Eine Unternehmerin klagt über den Verlust der Ethik in ihrer Branche.
Und alle sind sich einig, dass der Standard des zivilisierten Wohlstandes in den nächsten Jahren um 20 Prozent sinken wird.
Oh Hilfe, welches von meinen vier Schlafzimmern, von meinen sieben Autos soll ich denn abgeben? Das geht nicht! Das brauch ich doch Alles. Vielleicht reicht es ja, wenn ich nur noch einmal die Woche Kobe- Rindersteaks esse.
Der kleine Traum vom blassen Glück ist der Lottoschein, an die Brust gedrückt, dreimal darauf gespuckt und mit dieser winzigkleinen Hoffnung abgegeben und bezahlt. Auch diese Woche wurde der Jackpot nicht geknackt, säuselt die Lottofee. Und schon füllen 15 Millionen Menschen einen Schein mehr aus.
Und du lauf mir jetzt nicht weg, Mutti, ich bring Tante Else eben zum Taxi, schnarrt ein alter Sohn seine noch ältere Mutter an. Doch sein Schnarren ist nett, er meint es gut. So Mutti, jetzt bring ich dich auf dein Zimmer, um sechs gibt es Abendbrot, ich sag nur eben den Schwestern Bescheid, dass du wieder da bist.
Ein netter Sohn.
Der narr wurde mal gefragt, warum er so viel mit jungen Menschen zusammen ist.
Interessante Frage mit einer Menge Antworten. Ein Hauptgrund mag sein, dass Jugend weniger häufig falsch ist. Ein anderer, dass der narr nicht auf das Einhalten von Regeln besteht und immer wieder erstaunt von Heranwachsenden lernt, wie sie ihr eigenes Miteinander regeln.
Ein frustierter Vater brüllt hinter seiner adipösen Tochter her.
Bei der Namensgebung seines Kindes hatte er bestimmt etwas Anderes erhofft.
“Naomi”, brüllt er. “Wo bleibst du denn?”
Aber Naomi hat den Eisstand entdeckt. Jedes Brüllen wird jetzt in gefrorener Milch erstickt.
narr