Sie trafen sich am Strand.
Der Hund freute sich sichtlich, zwischen feuchtem und trockenem Sand und Wasser hin- und herpendeln zu können.
Die Katze blieb dem Schlamm fern. Sie suchte sich ein warmes Fleckchen Sand direkt unter einer überhängenden Düne.
Der Esel stand davor, knabberte erschöpft an dem herabwachsenden Gras und wedelt mit dem Schweif nach Fliegen.
Der Hahn trippelte oben auf dem Gras und pickte in dem Sand zwischen den einzelnen Halmen.
Sie hatten alle einen weiten, gefährlichen Weg hinter sich.
Der Hund war losgelaufen, als direkt vor ihm in Tripolis eine Bombe hochging. Er hatte nur angehalten, um zu fressen. Manchmal verrottende Vorräte von Menschen, die ebenfalls geflüchtet waren, manchmal Fleisch, welches am Straßenrand lag.
Auf ihn war geschossen worden, man hatte Steine nach ihm geworfen, er mußte durch Schlamm kriechen und über Minenfelder schleichen, bis er endlich den Strand erreicht hatte, von dem immer geflüstert wurde.
Die Katze hatte die Chance genutzt und war aus dem Transporter zur Tötung vorgesehener Versuchstiere in Südafrika gesprungen, hatte sich zwei Wochen lang zwischen den Waren einer Karawane versteckt, dann auf der Ladefläche eines LKW.
„Am Strand. Zum großen Wasser,“ hatten die Alten aus dem Labor geflüstert, sofern sie mit ihren Verstümmelungen dazu in der Lage waren.
„Da warten Boote.“
Das Arbeitslager, aus dem der Esel ausgebrochen war, lag irgendwo in Syrien. Er hatte geschleppt, bis seine Knochen mürbe wurden, die große Narbe über seiner linken Flanke stammte von einem Peitscher, der gerne Blut fließen sah. Irgendwann hatte er einfach seinen großen Kopf geschüttelt und war losgaloppiert.
Der Hahn wollte nur die Welt kennenlernen, seltsam genug, aber Reisende soll man ja nicht aufhalten.
I
Sie saßen gemeinsam im Boot. Eine wackelige Angelegenheit. Dem Esel zitterten die Beine, die Katze hatte sich in die trockenste Ecke verkrochen, der Hund stand am Bug mit heraushängender Zunge und ließ sich den Wind um die Nase wehen. Der Hahn stolzierte hin und her, ganz aufgeregt, was er wohl in dem fernen Kontinent alles erleben würde.
„Ich seh was,“ rief der Hund.
Alle Passagiere sahen in seine Richtung. Etwas Großes, Lautes bewegte sich auf sie zu. Kam näher. Etwas Blaues, mit einem Kreis aus Sternen, auf eine stählernde, schwimmende Wand gemalt.
Es riß das Boot auseinander wie eine stumpfe  Schere den mürben Stoff und alle an Bord ertranken.
II
Was für eine Überfahrt.
Wäre der Esel nicht gewesen – und es ging ihm hundeelend – hätte der Hund die Katze oder den Hahn gefressen. Alle waren vollkommen verhungert, aber der Esel hatte sich vor Katze und Hahn gelegt und gemeint, er könne neben Boxen mit seinen Hufen auch ganz gut zubeißen. Der Hund leckte sich mit trockener Zunge über die aufgesprungen Lefzen und nickte enttäuscht. Dann legte er sich in eine Seilrolle und wartete, wie alle anderen, auf den Tod.
Ein Fischerboot fand sie erst kurz vor der Küste und versorgte sie unverzüglich. Dann kamen sie ins Lager.
„Wir sollten zusammenbleiben,“ sagte der Esel. “ Solche Lager kenne ich. Da kommt nichts Gutes bei raus.“
Tatsächlich war Hauen und Stechen, Sengen und Brennen in dem Lager an der Tagesordnung.
Sie wurden getrennt, weil sie verschiedenen, ethnischen Gruppen angehörten.
Der Hahn starb als Erster, als er bei einem Streit eingreifen wollte und von einem anderen Hahn mit Stahldornen an den Füßen die Kehle aufgeschlitzt bekam.
Der Esel wurde mit drei anderen Eseln an einen Arbeitsvermittler verkauft und mußte hinfort für einen Hungerlohn mehr schuften, als als er es in seinem früheren Lager je erlebt hatte. Die Peitsche gab es nicht mehr, dafür trug er jetzt ein Halsband, welches ihm Stromschläge verpasste, wenn er ausser der Reihe eine Pause machte.
Der Hund sollte wieder abgeschoben werden, schaffte es aber zu fliehen. Er kam bis Deutschland, wurde dort aber von einem Förster im Wald erschossen.
Nur die Katze hatte Glück. Sie wurde von einem Tourist aus dem Lager geschmuggelt, das Ganze hatten die Schmuggler aufgezeichnet und bei YouTube hochgeladen, Mit 13 Mio Klicks legte das Filmchen einen Blitzstart hin, und die Katze wurde ein Internetstar.
III
Die Überfahrt war schwierig, stürmisch, entbehrungsreich, aber sie schafften es bis zum Festland.
Die BewohneInnenr empfingen sie herzlich, versorgten sie ärtzlich und fragten, wie sie ihnen weiterhelfen könnten.
Sie hatten Erfahrung mit Flüchtlingen und waren ganz gut organisiert.
Der Hahn zog weiter, schaute sich die Welt an und wurde überall freundlich empfangen.
Für den Hund fanden sie ein großes Rudel, er lernte eine Hündin kennen und nach dem ersten Wurf war er der glücklichste Hund der Welt.
Für den Esel besorgten sie einen Platz auf einem großen Hof. Dort lebte er mit anderen Eseln, Pferden, Ziegen und Schweinen. Jeden Tag kamen Kinder vorbei und streichelten ihn und die Anderen. So hatte er sich seinen Ruhestand vorgestellt.
Die Katze machte vor lauter Glück Faxen, sprang umher und rollte mit den großen Augen. Das nahm einer der BewohnerInnen mit dem Smartphone auf, stellte es ins Internet, und nach zwei Wochen war die Katze weltberühmt.
narr

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