Nie wieder

Herr W. schaute in die Auslage, sah Mieder, Messer und Muttermilchpumpen, als die Schaufensterscheibe mit einem lauten Knall und Klirren vor ihm zusammenbrach, „Nie wieder Mieder“, skandierte eine dreiköpfige Gruppe mittelalter Männer auf der anderen Straßenseite. Herr W. ging zu ihnen. „Was, bitteschön, gibt es denn an Miedern auszusetzen?“ Der mittlere Mann, offensichtlich der Anführer, schaute ihn grimmig an, während Beta und Gamma ihren Kopf verlegen zur Seite drehten. „Wenn

Frühstücksgedanken (utopisch)

„Was wollen wir auch jaulen. Irgendwann werden wir alle tot sein. Dann hat die liebe Seele Ruh.“ Ja. Im Grunde klebt doch jeder von uns an der Leimrute des Wohlstandes, und es gibt nicht viele Möglichkeiten, dem zu entrinnen. Der Hauch des Schmetterlingsflügels mag Orkane heraufbeschwören, das Wesen des Menschen wird er nicht verändern. Selber denken und Verantwortung übernehmen und Konsequenzen ertragen tut weh. Wir folgen lieber Trends, behaupten, dass

Anschläger

Es ist früh am Morgen. Heut Abend werde ich ein Anschläger sein. Ein Muskelmann mit Religionsbart schaut mich grimmig an, während er darauf wartet, dass der Nachbarfriseur öffnet. Ich denke an die Schulungsräume für den Bootsführerschein, Fahrschule, Seminarräume allgemein und frage mich, wie der Raum der Anschläger aussehen wird. Christopher kommt, und gemeinsam fahren wir Richtung Möhne. Die hat die Anschläge der Briten mit den Rollbomben, hüpf – hüpf –

Klusenstein

„Da wurden früher Jungfrauen runtergeschmissen.“ So hieß es seit meiner frühesten Jugend. Spannend, dachte ich, auch wenn ich nicht wußte, was „Jungfrau“ bedeutet. Heute morgen kam mir die Idee, doch eine kleine Fahrradtour dorthin zu machen. Burg Klusenstein, ich komm dich besuchen. Kurzer Stop bei Tönnesmann. Was dort gelagert wird, ist das Archiv des Presseklubs, manchmal Kunst und manchmal nur Wertstoff. Vorbei an den Kalkwerken, die des Nachts eine geeignete

Katerbrunze

Bringt es auch Glück, wenn man morgens in alte Katerbrunze packt? Ein unachtsamer Griff an die Plastiktütenverpackung der Sommerreifen, und ich rieche wie ein ungepflegter Pumakäfig. Der Mann hinter der Reparaturannahme verzieht sein Gesicht, nimmt aber tapfer den Auftrag entgegen. Pfingstdienstag morgen in der Kleinstadt, Frühstück im Supermarkt mit heißen Croissants. Ein Mann mit pakistanischen oder indischen Wurzeln kassiert als Einziger inmitten von vierzehn weiteren, nicht besetzten Kassen. Und ohne zu zögern

Eisheilige

Diese Eisheiligen riechen nach Sommer. Rossige Rentner blicken jungen Mädchen in armlos-bauchfrei-shirts hechelnd hinterher. Die alte Besitzerin der ehemaligen Leberwurstmühle sprüht in jede Fuge des Fußgängerzonenanfangspflasters hochpotente Essigessenz. Das ist Atem raubend und vertreibt den Geruch von Sommer. Vielmehr riecht es jetzt wie in alten Dunkelkammern. Was gut passt, da ein Kollege und Redakteur der ehemaligen Mendener Zeitung neben mir sitzt und über sein Leid beim Lesen der Westfalen Post

THC

In Holland geht man in einen Coffee-Shop, kauft, nachdem man sich auf der Raucherkarte etwas ausgesucht hat, einen Joint, Gras oder Haschisch und gut ist. In Deutschland wird die Abgabe so aussehen: „Guten Tag. Ich hätte gerne etwas Gras.“ „Kein Problem. Bitte tragen Sie hier Ihren Namen und Ihre Adresse ein. Dann brauche ich noch Ihren Ausweis.. Des Weiteren benötige ich eine kleine Blutprobe und wenn Sie so nett wären,

Distanz

Eine Armlänge, sagte Frau Krafft nach Silvester. Abstand halten, sagen Banken und Apotheken. Die Gesellschaft hat verlernt, die Distanz zu wahren. Distanzlosigkeit in Wort und Tat ist ein Merkmal unserer Zeit. Wie oft sitze ich in Filiale 43, trinke Kaffee und schreibe, und irgendein Kundenarsch streift mein Ohr, drängt sich nah heran, um einen Blick ins Notizbuch zu erhaschen. Keep your distance, brüllt mein innerer Zenmeister und möchte die Kasperlepatsche

Anfang Mai

Das fahle, blasse Fleisch öffnet seine Poren und drängt sich in die Sonne. Brüder, zur Freiheit, zur Sonne. Die Schwester macht derweil die Betten und kann uns mit Sonnencreme einreiben. Baby, lass das Glotzen sein. Komme herunter. Reib dich ein mit der Lotion der ewigen Ungleichbehandlung. Heut werden die Knochen gelüftet, das Kreuz gestreckt und die Hormone geschaukelt. Es ist Mai, fallera. Lasst uns Trolle vergiften im Park. Ein Krumen