Kröte

“Morgen narr,” brummelt es dem narren entgegen. Der narr stutzt, nutzt die kleine Pause des Brillenputzens – endlich fällt der langerwartete Regen – dann schaut er sein grüßendes Gegenüber prüfend an, vermisst irgendein Wiederkennungszeichen und grüßt freundlich zurück. Der narr hat die Erfahrung gemacht, dass unverbindliches freundliches Grüßen die Leute auf Distanz hält. “Der ist kein Schrankener”, flüstert ein Kind mit türkischen Wurzeln. Dann buchstabiert das junge Mädchen leise “Mendener”

Befindlichkeiten

Sehen mit der Wahrnehmung von Menschenfressern Neugeborene appetitlich aus? Es ist Balsam für´s Gemüt, schaut der narr den Gerüstbauern beim Fegen zu. Die Hausbesitzerin, Blutwurst-Elli, herrscht die Fegenden an, auch die Hundescheiße, über die, als Schamtuch, ein Tempo drappiert wurde, wegzufegen. “Da, das Papier auch,” keift sie im hohen Kaufmannsfalsett. “Da ist Scheiße drunter. Ich versau mir doch nicht meinen Besen.” “Wegen ihrem Gerüst musste der Hund da sein Geschäft

keine Brötchen

Filiale 43 hat keine Brötchen mehr. Und das am Pfingstsonntag Morgen. Die Kunden werden reihenweise ausfallend, drohen den Verkäuferinnen sogar Schläge an. Wenn die Feiertagfrühstücksroutine gestört ist, der Tag schon in seiner Anfangsstruktur mißlingt, dann bricht die Galle der Kundschaft, durch den normalen Alltag eh auf köchelnder Flamme gehalten, brodelnd und zischend, mit salzsäurehaltiger Gischt, eruptionsmäßig aus. Dann spucken und geifern die Kunden, laufen rot an, gestikulieren wild, verteilen wie

kaltes Lamm

Was für seltsame Figuren das Leben doch gebiert. Schon beim Betreten des äußeren Randes der Stadtmitte rennt vor dem narren ein glatzköpfiger Mann her. Auffällig ist nicht die Glatze, sondern sein bodenlanger, auf Antikleder getrimmter Mantel, der so gerade eben die Bierplautze, die weit nach vorne absteht, bedeckt. Ausserdem ist sein Gang unnatürlich schwankend, da er Schuhe mit einer Bananensohle trägt. Diese kennt der narr aus der Werbung, aber er

Endlich

„Ich bekomme Brot, aber nicht mit so ner harten Kruste,” sagt die weißhaarige Rollatorfahrerin zur Verkäuferin in Filiale 43. Ostern ist geschafft, die Eier sind gegessen. Und der Kuchen, und die Lasagne, und die Frikadellen, und der andere Kuchen und die Muffins, noch ein Kuchen, die Teilchen nicht zu vergessen. Der Winter war hart, die Reserven sind erschöpft und müssen aufgefüllt werden. Fleisch, Zucker, fette Fette, gebt dem Körper, was

James Dean

Sieh an. Monsignore Panninsky hat auch seine zwei Minuten, in denen er platzen könnte. Emotional. Und aus durchaus ähnlichen Gründen, wie bei dem narr. Zum Beispiel beim Beobachten achtlosen Wegwerfens einer Zigarettenkippe. “Da könnt ich zwei Minuten platzen,” sagt er und nippt an seinem Cappucino . Ein weißhaariger Mann wackelt vorbei. Wackeln ist der falsche Ausdruck, er schwankt etwas, was an einer Versteifung seiner Wirbelsäule zu tun haben könnte. Vielleicht

sterblich

Das Leben ist ein Witz und der Tod die Pointe. Dieses kalte, Alles erstarren lassende Wetter gibt sich so große Mühe, den Menschen ihre Sterblichkeit vor Augen zu führen, aber der Mensch ist auf beiden Ohren taub, blind auf beiden Augen, wenn es um seinen Tod geht. Alle leben auf Teufel komm raus und das ist das Problem. Würden wir uns angesichts des Todes Sorgen um das Finanzamt, um das

lost

Die Worte gehen mir verloren. Ich denke, formuliere in Gedanken, werde abgelenkt, weg sind sie. Lost in emotions. Bade in Gefühlen, manchmal glaube ich, in ihnen zu ertrinken, Manchmal tauch ich auf, dann wieder ab. Schnappe nach Luft in der ganzen Flüssigkeit. Es brennt in den Augen. Es fliesst aus den Augen. Das Universum beutelt mich, Dann geht es besser. Kräftig durchgerüttelt, werden Körper und Geist etwas wacher. Schwer zu

Werkzeugtasche

Eine Werkzeugtasche ist das Aushängeschild eines Handwerkers. Aus welchem Grund, zum Teufel, macht sich dieser Gedanke jetzt in des narren Hirn breit. Was interessieren ihn Werkzeugtaschen oder Handwerker. Aber wie ein kleiner Strudel in der Dusche Ausfluss, kreist, springt, schwimmt Werkzeugtasche von Synapse zu Synapse und wieder zurück und hinterläßt nichts als Fächer mit Laschen, verstellbare Flansche, Gerüche von Staub und Zement, kleine, ausziehbare Schubladen für Schrauben, Gleiter, Feststeller oder

italienisch

Die kleine Italienerin – und wenn der narr klein schreibt, meint er auch klein – ca. 1.30 m ohne die typischen Merkmale von Kleinwüchsigen, setzt sich dem narren gegenüber, ohne einen Ton zu sagen. Der narr sieht sie seit vierzig Jahren durch die Stadt gehen. Die letzten zehn Jahre trägt sie die Strumpfhose über den grauen Wollsöckchen. Sie wartet darauf, dass die Pizzeria von gegenüber öffnet. Wie alt mag sie